SYNODALITÄT
und KIRCHENREFORM – oder: „Kirche muss anders werden!“
Eine
Woche nach Abschluss der Jugendsynode wirken die Eindrücke – mittlerweile
konnotiert von ersten Kommentaren – nach und ‚setzen‘ sich in meiner
Perspektive noch einmal mehr über die aufwändige Aktualisierung der Register
für die Printfassung des Synodenblogs. Und ich merke, dass der nach der
Veröffentlichung von ‚Amoris laetitia‘ im Rückblick auf den synodalen Prozess
stimmige Titel der 3. Auflage des Synodentagebuches „Pädagogik der Liebe“ (AL
211) sich wieder verändern muss, weil in den Inhalten und der Art und Weise der
Abstimmung und Annahme des Abschlussdokumentes sich ein neuer Notenschlüssel
des zurückliegenden wie des vorausliegenden synodalen Weges zeigt: Denn mit der
im Absatz Nr. 3 einschließenden Aufnahme des Vorbereitungsdokumentes (Instrumentum laboris) – und damit der von den Jugendlichen aus
aller Welt eingebrachten Fragen, Sicht- und Lebensweisen – und dem Auftrag, die Ergebnisse
der Synode über das eigene Herz in die Welt zu tragen und in verschiedenster
Weise wirksam werden zu lassen, zeigt sich die Jugendsynode weniger als
Abschluss eines Prozesses, sondern als eine wichtige Wegmarke auf dem synodalen
Weg, der nicht einfach nur durch ein weiteres Papier (das sagte Papst Franziskus sowohl in
seiner Begrüßungsansprache als auch in der Abschlussansprache), sondern durch eine
veränderte Haltung und Praxis des gemeinsam Kircheseins gekennzeichnet ist.
(Cover-Ausschnitt des Synodentagebuch in der 640 S.-Printversion;erweiterte 4. Auflage vom 16.11.2018 ; s. https://bit.ly/2qQlkvJ ) |
Synodalität
Im
Gespräch mit Thomas Andonie heute – eine Woche nach dem letzten und jetzt wieder in
Deutschland – ist es auch eine meiner ersten Fragen, wie er sich die
überraschend vielen Gegenstimmen zu den die Synodalität betreffenden Abschnitten im Abschlussdokument
(vgl. Blog-Beitrag vom 28.10.2018) erklären würde. Thomas Andonie vermutet
Ängste bei manchen Bischöfen, dass das Lehramt verraten werde, das Lehramt
nicht mehr die Bedeutung haben könne. Und ich denke mir im Anschluss, dass Papst Franziskus
sein Papst- und Lehramt ja sehr bewusst in Kontinuität und Weiterführung zu
einer auf dem II. Vatikanischen Konzil aufbauenden Tradition wahrnimmt,
das in der synodalen Rückbindung allen seines Tuns, Handelns und
Lehrens an die Bischofsversammlungen seinen Ausweis hat. Synodalität: das Wahrnehmen von
Wirklichkeit, das Deuten der Zeichen der Zeit im Licht des Glaubens und das in
der Unterscheidung neu mögliche Tun und Handeln in der Begegnung mit den
konkreten Menschen ist der Weg der Kirche. Und mit dieser 'Maßgabe' verändert sich Kirche, relativieren sich
alle Strukturen und wird deutlich: „Kirche muss anders werden!“
Kirchenreform
Wie
sehr das Zueinander von Papstamt und Ortskirchen gerade in Bewegung ist, macht
eine Pressemeldung mit Aussagen des Synodenvaters Kardinal Oswald Gracias
deutlich, der zugleich Mitglied des K9-Gremiums ist, das sich seit dem Jahr
2013 mit der zentralen Aufgabe der Kurienreform befasst. Und der Erzbischof von Bombay deutet nicht
nur an, dass das geplante Dokument zur Kurienreform als neue
Apostolische Konstitution mit dem Arbeitstitel "Praedicate
Evangelium" (Verkündet das Evangelium) „im Dezember oder Februar
veröffentlicht werden“ könnte (und damit die Konstitution "Pastor Bonus"
zur Kurienreform Johannes Pauls II. aus dem Jahr 1988 ersetzen würde), sondern
auch, dass sich in den zurückliegenden Monaten auch die Bedeutung der Redaktionsarbeit des K9-Rates entscheidend
geändert habe.
„Ohne auf Details einzugehen deutete Kardinal Gracias als Stoßrichtung der Reform einen Dienst an den Ortskirchen, also der Kirche in den einzelnen Ländern, an. 'Die Anfangsidee war es, den Ortskirchen zu helfen, indem wir dem Heiligen Vater helfen', so Gracias. 'Jetzt ist die Idee, dem Heiligen Vater zu helfen, indem die Ortskirchen unterstützt werden.' Das sei 'eine entscheidende Änderung', so der Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz.“ (KNA vom 31.10.2018)
Und
diese Zuarbeit – das macht ja die Aussage von Kardinal Gracias gerade deutlich
– beginnt vor Ort: in den Ortskirchen. Für Thomas Andonie und den BDKJ bedeutet
dies die konkrete Zusammenarbeit mit den 27 Diözesanverbänden und den weiteren 16
Mitgliedsverbänden und Jugendorganisationen und in der kommenden Woche auch die
Teilnahme an der Jahrestagung der Arbeitsstelle für Jugendpastoral (afj) der
Deutschen Bischofskonferenz, bei der auch Jugendbischof Stefan Oster anwesend sein
wird. Über alle Strukturen und Verbände, die für Thomas Andonie über das Zentralkomitee der Katholiken in Deutschland (ZDK) in bester Weise eingebunden sind, seien nun die Wege zu finden, Kirche in neuer Weise als Hörende,
Begleitende und die Berufung jedes Menschen unterstützend, in unserer Kultur vor
Ort zu entdecken. Dass dies in Lateinamerika mit den Herausforderungen des
Drogenmissbrauchs, in Ortskirchen in Kriegsgebieten und überhaupt in jeder Teilkirche der Welt
mit je unterschiedlichen Problemen und Herausforderungen andere Handlungsoptionen
erfordere, sei für ihn eine der zentralen Schlussfolgerungen aus der Synode. Am
Beispiel des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker festgemacht, kann es für ihn
nicht sein, dass sich Jugendliche jede Woche für andere Jugendliche
engagieren und ihre Arbeit durch das Fehlverhalten und den Machtmissbrauch
von Klerikern unter Generalverdacht gestellt sehen. Ohne in einen Aktionismus
zu verfallen, seien die auf der Synode angemahnten – und zumal von der Deutschen
Sprachgruppe geforderten – konkreten Maßnahmen und Strukturveränderungen bis zu
der ebenso deutlich artikulierten Forderung nach einer stärkeren
administrativen Einbeziehung von Frauen in kirchlichen Leitungs- und
Amtsstrukturen sukzessive umzusetzen oder die Prozesse daraufhin in Gang zu
bringen.
Mit
der Jugend, durch die Jugend
Dass
und wie die Jugendlichen die wichtige Etappe des zurückliegenden synodalen
Weges in Rom während der XV. Generalversammlung der Bischofssynode mitbestimmt
haben, bringt das Synodenabschlussdokument ins Wort - und Thomas Andonie unterstreicht, wie die Jugend als eigener 'locus theologicus' bezeichnet wurde. Das 'Hinhören' der Kirche auf die
Jugend als „pädagogisches Konzept“ und „theologische Kategorie“ nimmt diesen
Gedanken auf. Er wird aber noch einmal gesteigert, in der den Verlauf der
Synode kennzeichnenden Änderung der Perspektive auf die Jugendlichen. Sie sind
nicht mehr nur Objekte einer methodisch neu zu justierenden Jugendpastoral,
sondern selbst Subjekte derselben. Als Protagonisten der Kirche sind sie
Handlungsträger der Kirche und in jeder Hinsicht einzubeziehen in die Weise,
wie Kirche auf Zukunft in dieser Gesellschaft lebendig sein will. Im
Synodenabschlussdokument kann diese neue Perspektive auch
stilistisch aufgemerkt werden: indem im II. Teil:
'Interpretieren‘ die Jugend selbst als Subjekt ins Wort kommen, während in den
Teilen I: 'Erkennen' (oder besser: „Wahrnehmen“ – wie die Deutsche Sprachgruppe
einstimmig als Übersetzungsvorschlag des italienischen „riconoscere“ forderte;
vgl. Blog-Beitrag vom 9.10.2018) und III. 'Wählen' die Kirche als ganze
Handlungsträger sei.
"Damit allerdings wechseln im Dreischritt des Gedankengangs die Akteure. Das Erkennen und Hören ist der Synode bzw. der Kirche aufgetragen, während es die jungen Menschen selbst sind, die ihrer Berufung in Unterscheidungsprozessen auf die Spur kommen müssen. Damit befindet sich der Gedankengang auf einer sachlich anderen Ebene als das vorausgehende Hören (und das nachfolgende Wählen). (…) Bei der zurückliegenden Synode fällt somit im Durchgang durch das Erkennen, Interpretieren und Wählen der zweite Schritt aus dem Rahmen." (Eva-Maria Faber, in: feinschwarz.net vom 3.11.2018)
Für
Eva-Maria Faber „lassen die Bruchstellen des Textes positiv die Dynamik des
Synodenprozesses erkennen.“ Diese Dynamik reicht weiter, als das Thema der
Jugendsynode eigentlich absteckt war und rückt auch noch einmal die
grundsätzliche Perspektive in den Mittelpunkt. Oder noch einmal mit den Worten
von Kardinal Marx im ausführlichen Wortlaut gesagt:
„Es geht nicht so sehr darum, so ist mein Eindruck, dass wir immer neue Methoden suchen für die Jugendpastoral, sondern dass die Kirche sich ändert. Kirche muss anders werden! Die Jugendliche erwarten, so haben sie in der Vorsynode zum Ausdruck gebracht, eine authentische Kirche, eine Kirche, die bereit ist zum Gespräch, eine Kirche, die zuhören kann. All das taucht natürlich in allen Dokumenten wieder auf. Aber das dürfen auch nicht nur Worte bleiben, es muss sich ja auch zeigen in Strukturen, Institutionen, in konkreten Begegnungen. Und im Grunde ist das eine Botschaft, die für die ganze Kirche gilt. Nicht nur, wie begegnen Bischöfe Jugendlichen, sondern wie begegnen wir einander, im ganzen Volk Gottes.“ (eigene Übertragung der Pressekonferenz vom 24.10.2018)